«10 Millionen Einwohner sind in der Schweiz möglich»

Das neue Raumplanungsgesetz fordert Behörden, Eigentümer und Immobilienwirtschaft gleichermassen – bietet aber auch Chancen. Raumplaner Beat Suter hat am SPGITalk vom 20. Juni 2019 ein Fazit nach fünf Jahren gezogen.

«Die Frage ist nicht ob, sondern wo und wie die Schweiz wachsen wird», zeigte sich Referent Beat Suter überzeugt. In der Schweiz könnten problemlos 10 Millionen Einwohner leben. Voraussetzung dafür sei jedoch ein städtebaulicher Ansatz. Ein solcher wirft Fragen auf, welche auch für die Immobilienwirtschaft weitreichend sind. Der SPGITALK vom 20. Juni 2019 zum Thema «Zeitenwende in der Raumplanung» befasste sich daher mit dem vor fünf Jahren revidierten Raumplanungsgesetz (RPG1).

Die meisten Kantone haben dieses mittlerweile vollständig umgesetzt und ihre Richtpläne überarbeitet. «Noch nicht überall in Kraft ist jedoch der Mehrwertausgleich – er ist ein Knackpunkt des RPG1», sagte Beat Suter. Das Gesetz schreibe vor, dass «erhebliche» Mehrwerte bei Ein- und Umzonungen auszugleichen sind. Bei Einzonungen müssen die Kantone mindestens 20 Prozent abschöpfen. Bei Um- und Aufzonungen – z.B. von einer Gewerbe- in eine Zentrumszone – können die Kantone eine Abgabe einführen. Diese Kann-Regelung habe dazu geführt, dass jeder Kanton sein eigenes Süppchen gekocht habe. «Bei der Umsetzung herrscht Kantönligeist, teilweise unterscheiden sich die Regeln sogar von Gemeinde zu Gemeinde.» Es sei daher auch für Fachleute schwierig, den Überblick zu behalten. «Man ist überall mit einer anderen Situation konfrontiert.» Das seien keine guten Voraussetzungen für die Praxis. Suter plädierte daher für einen ganzheitlichen Ansatz des Mehrwertausgleichs und sieht darin auch ein wichtiges Erfolgsrezept für die Innenentwicklung.

Umzonungs-Stopp nur temporär
Die Kantone Genf, Luzern, Schwyz, Zug und Zürich haben den Mehrwertausgleich entgegen den Vorgaben noch nicht eingeführt. Die Frist dazu ist am 30. April 2019 abgelaufen. Als Konsequenz hat der Bund für diese Kantone einen Einzonungs-Stopp verfügt. Doch Referent Beat Suter konnte beruhigen: «Es handelt sich hierbei um eine temporäre Massnahme, um Druck aufzubauen. Die betroffenen Kantone werden nun schnell handeln, sodass bald wieder ein- oder umgezont werden kann.»

Der zweite Fokus von Referent Beat Suter lag auf dem verdichteten Bauen. «Es ist die Grundvoraussetzung für das Bevölkerungswachstum, gleichzeitig ist die Akzeptanz dafür in der Bevölkerung oft nicht vorhanden.» Die Qualität von überbauter Fläche hänge jedoch nicht primär von ihrer baulichen Dichte ab, sondern vom siedlungsplanerischen Konzept und von der vorherrschenden Architektur: «Sie bestimmen, wie wir Dichte wahrnehmen.»

Einprägsames Beispiel war eine Darstellung verschiedener Dichten und Bebauungs-Typologien: Sie zeigte auf, dass die breit akzeptierten und als schön geltenden Altstädte im Schnitt mit einer Ausnützung von rund 250 Prozent bebaut sind, während beispielweise die als trist empfundenen Wohnsiedlungen aus den 1970er-Jahren durchschnittlich eine Ausnützung von nur 80 bis 100 Prozent aufweisen.

Mobilität als Knackpunkt
Beat Suter erklärte, dass in einer repräsentativen Studie zur Akzeptanz der Dichte im Kanton Zürich nur ein Drittel der Befragten angaben, einer Verdichtung in ihrem Umfeld positiv gegenüber zu stehen. Ein weiteres Drittel der Befragten lässt sich durch die Qualität, die Mehrwerte für das Quartier und die Nachbarschaft, eine offene Kommunikation und transparente Planung für eine Zustimmung gewinnen. Damit schlug Beat Suter wieder den Bogen zum Thema Mehrwertausgleich: «Ein gesamtheitlich angelegter Mehrwertausgleich ist das Schmiermittel der Innenentwicklung.»

Neben der Akzeptanz der Bevölkerung gibt es beim verdichteten Bauen weitere Herausforderungen, die teilweise nur schwer zu bewältigen sind. Die zentralste dabei ist die Mobilität, die einerseits Grundvoraussetzung für Siedlungswachstum ist, gleichzeitig diese auch an den Rand eines Kollapses bringen kann.

Mobilität befinde sich daher stark im Wandel, erklärte Beat Suter. «Während auf dem Land 90 Prozent aller Haushalte ein oder mehrere Personenwagen haben, sind es in grösseren Städten nur noch 50 Prozent», sagte Referent Beat Suter. Es gäbe deshalb immer mehr Fälle, bei denen Liegenschaften mit zu vielen Tiefgaragen-Parkplätze bebaut würden, die sich dann nicht vermieten liessen. «Die Herausforderungen der Raum- und Siedlungsplanung sind also auch für die Immobilienwirtschaft zentral.»

Beat Suter
Beat Suter, dipl. Ing. FH in Raumplanung FSU / SIA, ist bei der Metron Raumentwicklung AG als Projektleiter und Experte tätig. Er beschäftigt sich vor allem mit Fragen der Innenentwicklung im Auftrag von verschiedenen Kantonen, Städten und Gemeinden. Bei Metron leitete er die Studie Dichtebox, 7 Tools zur Innenentwicklung. Durch seine Tätigkeit verfügt er über einen ausgezeichneten Einblick in die Umsetzung RPG 1.

SPGITALK
Der SPGITALK ist eine Veranstaltungsreihe der SPGI Zurich AG mit dem Ziel, den Know-how-Transfer in der Immobilienbranche sowie das Networking zu fördern. Die Teilnahme ist kostenlos. Das Referat zum Thema «Zeitenwende in der Raumplanung» fand am 20. Juni 2019 im «Au Premier» im Hauptbahnhof Zürich statt.

Collage der seit RPG1 revidierten kantonalen Raumkonzepte und Hervorhebung der Räume, die den Grossteil des zukünftigen Wachstums aufnehmen werden (im Kanton Luzern sind Gemeinden und nicht Siedlungsgebiete abgebildet). Grafik: Metron 2019